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Arbeitsprozess

Boris Köhncke vereint in seiner künstlerischen Praxis eine Vielzahl an Materialien, Techniken und Themen. So beschäftigt er sich wiederkehrend mit verschiedenen Drucktechniken und Gussverfahren, aber auch mit Tierpräparaten und Objekten, die er in seine Werke integriert. Wiederkehrendes Interesse ist auch eine thematische Inspiration und Auseinandersetzung mit Sujets und Motiven aus Kunstgeschichte und Mythologie.

Boris Köhncke selbst beschreibt seinen Arbeitsprozess im plastischen Bereich in einem Brief vom 26.04.1985 … an seinen früheren Kunstlehrer Gunter Thiersch wie folgt:

Ich möchte mit wenigen Worten meine augenblicklichen Absichten im plastischen Bereich erläutern. Diese Absichten sind natürlich nicht immer in den Arbeiten klar wiederzuerkennen, zum Glück gerät nicht alles so rein nach Konzept…

Auch bei meinen Arbeiten nimmt das Handwerk eine zentrale Position ohne – wie ich hoffe – sich darin zu erschöpfen. Meine handwerklichen Tätigkeiten gehen vom Metzger zum Gerber zum Modelleur zum Schnitzer zum Gipser zum Schlosser zum Schreiner zum Ziseleur … entsprechend sieht meine Werkstatt aus, die diese Vielfalt widerspiegelt und natürlich immer zu klein ist. Zum eigentlich Handwerklichen gehört aber auch z.B., einen ausdrucksvollen Athletenrücken zu formen, denn das ist eigentlich keine kreative Arbeit, da es hier nicht mehr viel zu entdecken gibt, aber es ist z.B. für mein zweites Minotaurusprojekt unerlässlich, so etwas einzubeziehen; auch eine Hand zu modellieren, die sowohl an Botticelli als auch an Michelangelo erinnern soll, gehört zum Handwerk eines Plastikers… oder anatomisch richtig wirkende Pferdebeine aufzubauen, gehört noch in das Handwerkliche. Wie übrigens meine Vorliebe für Pferdethematik nicht von einem persönlichen Interesse am Pferd herrührt, sondern sie ist in der Kunstgeschichte beheimatet, in der das Pferd ja eine bedeutende Rolle spielt. Ferner ist in der Plastik das Format, die Körper (der Plastik) zu Körper (des Betrachters)- Wirkung ganz entscheidend und hier bietet das Pferd rein formal erhebliche Vorteile. Natürlich spielt auch die Tabuisierung des Pferdetodes eine wichtige Rolle, die in unserem Kulturkreis noch tiefe Wurzeln hat; mein Thema Gewalt trifft hier auf psychische Voreinstellungen

Die Verwendung von Häuten und Fellen hat unterschiedliche Funktionen; zum einen rufen sie die Diskrepanz zwischen Illusion und Wirklichkeit wach, wenn sie über realistische Körperplastiken gezogen werden, zum anderen erzeugen sie eine ambivalente Haltung zwischen Naturschönem, Kunstschönem und gelebtem Leben. Jede Haut ist ja gegenwärtiges Zeugnis eines ehemaligen Lebewesens, einer individuellen Einmaligkeit.

Im Gesamtaufbau der Plastiken gewinnen ferner Materialassoziationen starke Beachtung – z.B. Zink gegen Zottelfell oder Haut-Holz-Bronze.

In den Entwürfen versuche ich, große Gegensätze zusammenzuzwingen, z.B. setze ich panoptikumhafte Illusion gegen geometrische Grundformen in einer Figur. Auch das ist gedacht als Brückenschlag zu kunsthistorischen Tatbeständen. Wie ich überhaupt im Gesamtkonzept versuche, der ständig drohenden Amnesie der Gewachsenheit aus der Geschichte entgegenzuwirken. Offene und versteckte Zitate sind hierbei ein Mittel- leider oft nur sichtbar für Eingeweihte. Das Thema der Metamorphose – der Mensch-Tier-Konstruktions- Wesen – schwingt häufig mit, wenn auch hier wieder zitierende, um antike Topoi zu beschwören. Das bleibt natürlich ein Als-Ob-Thema, da die Gestaltung solcher Fabelwesen heute keine Legitimation mehr hat oder zu haben hat, da unsere Naturverbundenheit sehr brüchig geworden ist.

Manchmal allerdings schlägt das in der Ausführung um und ich selbst sehe diese Verwandlung, z.B. beim „Klinger-Zentaur“.

Ich möchte ein Maximum an simultanen Empfindungen beim Betrachter hervorrufen, um die Gleichzeitigkeit von erlaubten und nicht erlaubten Gefühlen wach werden zu lassen, um zu beunruhigen, ich meine, das ist dem Thema ‚Gewalt‘ angemessen. Aus diesem Grunde halte ich mich auch nicht an ein bestimmtes Formenvokabular – Reflexionen über den Raum, wie sie in der klassischen Moderne vorgenommen wurden, sind nicht mein Thema.

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